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Airberlin, Amantea, Auslandssemester, Calabria, Comunicazione e DAMS, Cosenza, Erasmus, Erfurt, Erlebnisbericht, Indonesia, Kalabrien, Reisevorbereitung, Rende, San Gennaro, Stereotype, Studium, Unical, WG, Wohnheim, Zusammenfassung
Und…? War es denn jetzt von Erfolg gekrönt, das Unternehmen „Versuchskaninchen“?
Nun, alles geht einmal zu Ende. Oft unter ähnlichen Umständen, wie es einst auch angefangen hatte. Am letzten Tag in meinem gelben Häuschen, der WG mit Stefano (Rufname: Stè) und Giuseppe (Giù), kam zum Beispiel wieder einmal kein Wasser aus den Leitungen, weswegen Thì die Endreinigung reduzieren durfte. Am letzten Abend gab es Pizza und einen hervorräkelnden Wein aus Amantea, eine Stadt mit einem hoch auf dem Berg gelegenen Kastell, das ich als erster Student überhaupt betreten haben dürfte.
Wie manche wissen, hatte ich auch an der Università della Calabria Primatenstatus, will heißen, als erster Gaststudent der Uni Erfurt dort ein bisschen herum zu studieren. Mein Blog bleibt für all jene stehen, die auf Basis meiner Erfahrungen Zeit sparen, gewisse Unannehmlichkeiten umgehen oder gar nicht erst hierher fahren wollen. Trotz dessen, dass womöglich letztgenanntes zutreffen wird, hatte ich eine wunderschöne Zeit in Kalabrien. Bei allem, was mir auch widerfuhr – es ging doch am Ende immer gut aus.
Daran Anteil und mich begleitet haben auch einige Personen, die ich in einer Art Abspann in diesem vorerst letzten Artikel vorstellen werde. Meine Damen und Herren, Credits of Calabria!
Wer erinnert sich nicht an Stefano und Giuseppe, die anfangs im Uni-Wohnheim ein paar Türen neben mir gewohnt hatten. Stefano wohnte dort legal, Giuseppe nicht, da er auf das Freiwerden unserer späteren Privat-WG wartete. Jeden Abend holte er sich die freie Matratze aus meinem Doppelzimmer, schleifte sie in Stefanos eh schon enge Kammer und brachte sie morgens ob der Stichkontrollen zurück.
Irgendwann konnte Giù dann umziehen, Stefano kam mit ihm und ich, charakterlich sowie als weiterer Nebenkostendivisor geeignet, durfte hinterherschlurfen. Das neue Domizil bedeutete ab sofort 10 Lire mehr im Monat als im Wohnheim, Gas und Strom im Preis noch nicht drin, aber ich wurde auf diese Weise um Einiges kalabresischer.
Da die Behörden mich, um mein Wohnheimzimmer zu kündigen, zu drei verschiedenen Instanzen hetzten, die von spät nach 9 bis allenfalls 10.50 Uhr öffneten, habe ich als Revanche ein hübsch besticktes Bettlaken konfisziert, das diese Bürokratiewuracher jedoch wohl kaum vermissen werden.
Der Umzug war die richtige Entscheidung. Andernfalls hätte ich nie all die Rezepte von Stefano, im Bild oben mit Pizza und seiner Fidanzata (Freundin) Maria, verkosten und ihnen den Qualitätssiegel überreichen können. Es gibt nichts, das ich nicht von ihm essen würde, außer Nutellabrote. Denn da trägt er nun mal dick auf.
Giuseppe (rechts) war stets um Sauberkeit und Ordnung bei uns bemüht, und nicht nur, weil er seines Zeichens Neffe der WG-Eigentümerin ist. Italiener sind an sich sehr ordentlich, waschen nach einem großen Essen sofort ab und putzen die Küche. Ich hätte nie für möglich gehalten, was für bravi ragazzi (dufte Typen) die beiden sind, als wir im Oktober auf dem Campus standen und die Kalabresinnen begutach…äh, als sie mir von ihren Hobbys Kraftsport und Motorbikes erzählten. Wenn ihr also als Studenten nicht ins Wohnheim wollt: in San Gennaro Nr. 68 ist ein Zimmer frei…
Weit über unser Viertel bekannt ist auch diese freundliche Kreatur. Unsere Hofkuh Arturo wird von Antonio und Vincenzo gehütet und soll das Haus bewachen. Das Mäuschen ist jedoch so erzogen, dass es für einen Apfel oder gar ein Stück Fleisch wirklich jedem Menschen bereitwillig Einlass gewährt, sich in seiner Hütte eine Serviette um den Hals bindet und das Mitgebrachte verschlingt. Gebellt wird nur, wenn man durch den Zaun grüßt, aber keinen Happen dabei hat. Einmal hat mich die Bestie beim Besuch dann doch gezwickt, da anscheinend noch ein Hauch von Ebby aus „Feiern mit Diplom – Laurea in Catanzaro“ an meinen Sachen haftete.
Machen wir weiter mit meinen Freunden aus der Uni. Deren Reihenfolge hier erklärt sich, wie es bei Abspännen üblich ist, aus der Zahl der Szenenauftritte. Die Indonesierinnen machen eine stattliche Zahl aus, und in Folge dessen kreuzten sich unsere Wege oft. Wedha (gesprochen Wede, 3.v.l.) und Mega (gesprochen Mege, 2.v.r.) drückten mit mir die Vorlesungsbank bei der Burza. Anfangs fand ich beide toll, weil sie bei Aufkommen von fachlichen Anforderungen oder Problemen mit italienischen Behördenmitarbeitern ihren Mitmenschen gegenüber nur große und runde Augen zu machen brauchen und sich angesichts dessen alle ihre Probleme von selbst lösen. Später hörte ich dann, dass Mega Sportjournalistin in Indonesien ist und beim Champions League – Finale 2008 in Moskau mit sämtlichen Stars von Chelsea und ManU auf Fotos posieren konnte. Wedha wiederum war in einem großen Verlag tätig und führt eine konfessionell heterogene Ehe (was in ihrer Heimat alles andere als angesehen ist und ich es deswegen sehr kryptisch schreibe). Außerdem noch höre ich sehr gerne ihr Kreolisches Englisch (sorry, Wedhi :D).
Meine sprachlichen Spiegelbilder Roberta (rechts) und Maria (links) kennt ihr schon. Ich habe allerdings nicht viel über sie erzählt. Allerdings weiß ich auch nicht, wie gut das für mich wäre, da die beiden ja alles verstehen. Sei’s drum! Rò und Mà habe ich bei den Linguisten kennengelernt, in einer im Gegensatz zu anderen halbwegs normalen Lehrveranstaltung. Mir beim ersten Aufeinandertreffen zunächst eine französische Identität zuschreibend, korrigierte ich sie umgehend und erntete Jubelstürme, da beide Deutsch als Nebenfach studieren und sie es fortan ein Semester lang am lebenden Exemplar ausprobieren konnten. Ich hoffe, ihr beiden habt ebenso viel von mir gelernt wie ich von euch, amiche care, wenngleich ich durch das Kaffeetrinken mit euch manchmal „die Lektion gesprungen“ (saltare la lezione = schwänzen) habe, hehe. In jedem Falle, Deutschland wartet auf euch!
Jemand, der bereits dort war und Mainz unsicher machte damals, ist die großartige Francesca (links). Wir beide haben viel dafür getan, dass die Nutzer in der Bibliothek um uns herum nacheinander dem Wahnsinn verfallen sein dürften. Manche ihrer Übersetzungen ins Deutsche, die ich mir durchlas, waren einfach zu köstlich, und wir feixten uns was! Jedoch, ich will mal den Mund halten, denn auch mein Deutsch ist schlecht. Jegliche Formulierung, die ich im Seminar Italienisch-Deutsch als deutsche Übersetzung eines italienischen Textes an Francesca oder Maria (rechts) vorsagte, wurde entweder sofort vom Dozenten Signore Hans Kunert abgeschmettert oder nur umfassend verändert von ihm übernommen. Francesca kommt übrigens aus einer kleinen Stadt nahe Tropea, DER Urlaubszone der Touristen in Kalabrien. Und ich hab’s nicht besucht, weil keiner von uns Zeit hatte. Aber etwas soll man sich ja immer offenlassen, um danach zu streben.
Was ist das für ein Land, das ich so schwermütig verlasse? Man hört in den Medien hin und wieder von Kalabrien, wenn dort eine Mafiagröße festgenommen wird oder ein Erdbeben rüttelt. Oder man sieht eine Annonce für einen Last-Minute-Urlaub geschaltet…träumt…und blättert weiter. Abseits von den Touristenhochburgen, und das sind nicht mal so sehr viele, bekommt man nur schwer etwas vom Leben und dem Alltag der Kalabresen mit. Selbst ich habe vielleicht höchstens an der Oberfläche gekratzt, meist lebte ich ja doch eher in den Strukturen Universität – Einkaufen – öffentlicher Nahverkehr. Die Reise nach Catanzaro stellte eventuell den tiefsten Einblick für mich dar, als ich in das alltägliche Leben zweier Familien, eine in der Hauptstadt wohnhaft und die andere an der Peripherie, und in ihre Strukturen eintauchen durfte.
Kalabrien, das kann ich nun mit Sicherheit behaupten, ist eben nicht „schon fast wie in Afrika“. Die Temperaturen sind satt bis in den Dezember rein, und die Nächte manchmal wie Frost, die Menschen hier aber sind wie Du und Ich, könnt ihr mir glauben. Viele sogar etwas netter und rücksichtsvoller als hierzulande. Sicher, mancherorts scheint die Zeit etwas stehen geblieben zu sein – ich kenne die verfallenden Häuser und grasüberwucherten Bahngleise nur zu gut, beschädigte Infrastruktur aus scheinbar längst vergangenen Zeiten irgendwo im Nirgendwo. Aber man gewöhnt sich daran. Die meisten Kalabresen teilen ähnliche Lebensbedingungen und sind füreinander da. Auch 2000 km unterhalb Berlins heißt der Kontinent Europa, und von hieraus werden Zitronat, Zwiebeln, Tomaten und Lakritzen in die oberen „Etagen“ hochgeschickt.
Zugegeben, viele meiner Kommilitonen würden später auch gern zur Zitrusfrucht und sich weiter nördlich nach einem Job umtun, da es in Kalabrien nicht allzu viel Beschäftigung(sangebote) gibt (die Klammer hat ihren Grund). Deutschland wird ob seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten verehrt, einige meiner Kommilitonen würden gern dort arbeiten. Unser Plan, ein Restaurant für kalabrische Spezialitäten in Berlin zu eröffnen, ist auch noch nicht ganz vom Tisch 😀 Viele von euch, liebe Kalabresen, hätte ich gerne wieder um mich. Beinahe jeder kann Gesänge zur Gitarre anstimmen, gehungert wird sowieso nie und für Lebensweisheiten ist immer gesorgt, gerade weil Abschiede wie meiner immer sehr emotional sind. Als letzte Worte hat mir Francesca mit auf den Weg gegeben: „Ci vediamo, Thilo, non ti preoccupare. E se non ci vediamo, accendi la luce!“
„Wir werden uns sehen, Thilo, keine Sorge. Und sollten wir uns nicht sehen, mach einfach das Licht an!“
Das werde ich machen, versprochen…
Ich danke hiermit allen Lesern für das stille Folgen meiner Artikel, für Kommentare und Likes sowie das Teilen von Beiträgen. Eine große Freude wäre es zudem, wenn wirklich jemand eines Tages mal nach Kalabrien käme. Ich bin sicher kein Jünger der Tourismusindustrie, aber ich kann noch so viel erzählen, hier gewesen sein muss man mal selbst.
Habt eine gute Zeit, wo immer ihr euch jetzt oder in Zukunft befindet, und scheut weder Fragen noch Kritik oder spontane Reisebuchungen.
Alles Gute,
euer Thilo